Leben in Mechernich heißt auch, sich mit Blei in Mechernich zu beschäftigen. Das Thema geht alle Bürger an, aber auch alle Touristen der Stadt.

Toxikologie erklärt: Blei

Erklärt von Toxikologe Prof. Dr. Jan Hengstler Link in diesem Video.

(ab 00:00) Wo kommt Blei vor? 
Wie wirkt es auf den Körper von Mensch und Tier? 
Und wie äußert sich eine Bleivergiftung?

(ab 09:05Entwicklungsneurotoxizität bei Kindern
Umfassende Studien haben gezeigt, dass schon relativ geringe Bleiexpositionen zu einer Störung der Intelligenzentwicklung bei Kindern führen können.

(ab 15:41) Wie beurteilt man, ob zu viel Blei in den Böden von Wohngebieten vorkommt? Dieser Frage wird am Beispiel der Situation in Mechernich (Kreis Euskirchen in NRW) nachgegangen, wo aufgrund früheren Bergbaus heute noch sehr hohe Bleikonzentrationen in den Böden vorkommen.

KSTA | 14.09.2019
Link „Keine Panik, aber Vorsicht“: Professor Hengstler über Blei im Mechernicher Boden

DOKU BLEI aktuell

Hinweis: Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Datums der Veröffentlichung.

02.03.2022 – Gespräch Landrat Markus Ramers,
Achim Blindert, Dr. Jörg Schriever

Blei- Bio-Monitoring Kreis Euskirchen
Der Weg in die Zukunft

Sehr geehrte Herren,

in der Nachschau zu unserem intensiven, sachlichen und fairen, offenen Gespräch über Blei – Biomonitoring im Kreis Euskirchen und den Aufgaben für die neu geschaffenen Umweltstellen am Gesundheitsamt möchte ich mich zuerst nochmals herzlich bedanken. Es hat sicherlich zum gegenseitigen Verständnis der Unterschiede aus kommunaler und medizinischer Sicht beigetragen. Bedauerlicherweise konnte Dr. Peter Wirtz, Ärztlicher Direktor Kreiskrankenhaus Mechernich nicht teilnehmen. Deshalb möchte ich einige Diskussionspunkte aus meiner Sicht festhalten.


1. Das geogene hoch toxische Blei und seine Bergbau bedingten Altlasten bleiben eine dauerhafte Gefahr im Kall – Mechernicher Belastungsgebiet für die Bevölkerung, die davor dauerhaft geschützt werden muss. Siehe pflichtige Aufgaben des Gesundheitsamtes nach ÖGD Gesetz NRW §10 und BGH Urteil v. 26.1.1989-III ZR 194/87:  Es ist Aufgabe der Stadt- Kommune als Planungsträger für eine Bebauung, die Wohnbevölkerung vor Umweltbelastungen und Gefahren zu schützen, die von dem Grund und Boden selbst ausgehen (Urteil S. 9). Personen, die im Plangebiet wohnen, müssten sich darauf verlassen können, dass ihnen aus der Beschaffenheit des Grund und Boden keine Gefahren für Leben und Gesundheit drohen (Urteil S. 18).

2. Die bisherigen Blutuntersuchungen der Bevölkerung zur Bleibelastung waren alle drei nicht repräsentativ und hatten strukturelle Mängel im wissenschaftlichen Design und der Statistik, die in ihrer ursprünglichen Form und Zielsetzung nicht umgesetzt werden konnten. Hauptschwierigkeit war dabei stets eine nicht ausreichende Zahl von freiwilligen Teilnehmern, um damit ausreichende Blutergebnisse zu gewinnen. Allerdings lag immer ein Anteil der einzelnen Bleiwerte oberhalb des gültigen bzw. jetzt gültigen Referenzwertes, sodass wie zu erwarten, bei einem nicht zu vernachlässigen Teil der Bevölkerung mit hoher Dunkelziffer eine lokale Zusatzbelastung oberhalb der Hintergrundbelastung gesichert vorlag. Da Blei im Körper immer schädlich ist, kann eine Gesundheitsgefährdung oder –schädigung angenommen bzw. nicht ausgeschlossen werden.

3. Hochakute Bleivergiftungen, ursächlich forensisch, suizidal oder als Unfall, wurden im Kreis nicht beobachtet oder sind nicht diagnostiziert worden. Spezifische Symptome werden allerdings von Menschen erst bei Bleiwerten oberhalb 400 Mikrogramm/l selbst empfunden und erkannt.

Chronische Niedrigbleibelastungen über einen längeren Zeitraum führen zu untypischen Allgemeinbeschwerden wie Müdigkeit, Bauchschmerzen, Konzentrationsschwäche etc. und besonders in der frühen Kindheit zu Hörstörungen und kognitiven Entwicklungsverzögerungen, selbst bei Blutwerten unter 100 Mikrogramm/l. Sie haben eine mutagene und krebserzeugende Wirkung und können bekannte Organerkrankungen anderer Ursache verschlimmern. Das macht die Diagnostik im Praxisalltag für Ärzte so schwierig und ist ein Grund, weshalb die Datenlage zum Krankheitswert der Niedrigbleibelastung bei Erwachsenen und besonders bei Kindern und Schwangeren unzureichend ist. Das wird in der letzten Monographie des Umweltbundesamtes „Eintragspfade“ angemahnt gleichzeitig mit erheblichem Forschungsbedarf in diesem Krankheitssektor.

4. Der Krankheitswert einer Zusatzbelastung im Niedrigbleibereich ist unerforscht und auch im Kall – Mechernicher Bleigebiet die Kernfrage für die betroffene Bevölkerung. Ein entsprechendes klärendes Forschungsvorhaben ist langfristig intensiv zu planen und dauerhaft wissenschaftlich zu begleiten. Die Krankenhäuser in Euskirchen und Mechernich gehören als akademische Lehranstalten zur Universität Bonn und beteiligen sich an der studentischen Ausbildung der Universität mit dem Praktischen Jahr und der medizinischen Abschlussprüfung. Parallel können Doktorarbeiten bis zur Promotion begonnen und betreut werden. Alle medizinischen Bereiche sind an unseren Häusern vertreten und erlauben den Einfluss der Bleibelastung auf das gesamte menschliche Organsystem zu erforschen und mit dem „Nichtbleigebiet“ zu vergleichen. Das gilt besonders auch für das Vorkommen von Krebserkrankungen und seiner Ursachen. Der allgemeine Kenntnisstand zur gesundheitlichen Bleiwirkung der hiesigen Ärzteschaft sowie zu anderen Umweltfragern wird sich, ständig aktualisiert deutlich verbessern. Der Kreis würde diese Zusammenarbeit begrüßen. Medizinische Fragestellungen, Möglichkeiten und Abläufe sollten aber von den medizinischen Institutionen, einschließlich der Umweltstelle am Gesundheitsamt, selbstständig gestaltet werden. Diese Chance sollte baldmöglichst zum Wohle vieler Menschen ergriffen und umgesetzt werden. Dazu sind auch die Ärztekammern, Kassenärztlichen Vereinigungen – KV`n, die Krankenkassen gefordert.

5. Nach unserem Konzept von 2018 ist, statt teuren Einzelstudien mit isolierten Blutentnahmen, in einer Einmalaktion das Sammeln von Bleiergebnissen im Zusammenhang mit anderen notwendigen Blutentnahmen im Rahmen medizinischer Diagnostik oder Präventionsmaßnahmen wie bei der Schwangerenvorsorge und den Arbeitsschutzuntersuchungen möglich. Auch bei solchen Forschungen sind aktuelle gesetzliche Vorgaben einzuhalten, die getrennt anonymisiert, gesammelt und wissenschaftlich ausgewertet werden, einschließlich Plazet der zuständigen Ethikkommissionen.                                          

Eine Besonderheit ist im Vorschulalter die Bleibestimmung im Milchzahn, zumal Blutentnahmen in diesem Alter bei Kindern und Eltern besonders unbeliebt sind. Im Gegensatz zum Momentwert im Augenblick der Blutentnahme lässt sich im Zahndentin die gesamte Bleibelastung der bisherigen Lebenszeit jahrgangsweise in ausreichender Anzahl im direkten Vergleich zu unbelasteten oder weniger belasteten Gebieten im Kreis bestimmen. Somit lassen sich positive und negative Veränderungen frühzeitig erkennen und präventiv lokal gezielt gegensteuern, bzw. unterstützen. Gepoolt kann man verschiedene Klassen, Schulen, Wohngebiete einmalig kostengünstig vergleichen und behandeln. Diese Möglichkeit wird von theoretischen Instituten viel zu wenig genutzt, wohl weil längerfristig die Zusammenarbeit mit dem Schulamt – Lehrern erforderlich ist. Dabei bietet sich die einmalige Chance gleichzeitig nach dem Motto „Gefahr erkannt – Gefahr gebannt“ in dieser Altersgruppe ein wirksames vorausschauendes Gefahrenbewusstsein zu erlernen.

6. Was sich für diagnostisch- präventiv tätige Mediziner so selbstverständlich anhört, ist in der Praxis für theoretische Institutionen wohl schwer vorstell- und umsetzbar, besonders wie hier notwendig, die Zusammenarbeit mit der kurativen Medizin, Ärztekammern und KV`en, Schul- und Gesundheitsamt etc, besonders, wenn dies Kreis-, Bezirks- oder Länderübergreifend organisatorisch abgestimmt funktionieren soll. Das klappt wohl am ehesten, wenn, wie im Kreis Euskirchen möglich, wo es ein eng begrenztes Belastungsgebiet mit daneben ausreichend bleifreiem Gelände und Wohngebieten gibt und mit allen anderen beteiligten Institutionen unter dem Dach einer kommunalen Einheit politische Entscheidungen mehrheitlich getroffen werden können! Das wird auch in den Ministerien so gesehen. 

7. Abschließend darf man als wichtige Säule der Prävention, die Aufklärung und Information der Bevölkerung in allen Bleifragen zu den Eintrittspforten in den Körper wie Ernährung und Luftverschmutzung für Mensch und Tier, so auch im Zusammenhang mit Überschwemmungen   nicht vergessen. Ein Kataster für Blei im eigenen Garten unter Beteiligung der Bevölkerung einführen, welches die Bleiwerte in Obst Gemüse, Pilzen Hühnereiern etc. aufführt. Nach dem Motto: Essbar – Vorsicht abwaschen – nicht verzehren, so wie wir es bereits auf unserer Webseite www.doku-blei.de begonnen haben. Die Aufklärung von Neubewohnern mit entsprechenden Broschüren, wie sie jetzt vorliegen, ist wichtig und sollte im Programm der neuen Umweltstelle mit Transparenz, nicht nur auf dem Papier, gefördert werden.


Es gibt sicher noch vieles zu bedenken, aber nach dem Planen muss das Handeln kommen und da ist alles möglich, sogar der Idealfall, dass eine Zusatzbelastung in unserem Bleigebiet gar nicht mehr auftritt und endlich die Gaußsche Verteilung für Blei im Blut vor Ort identisch mit der für ganz Deutschland ist.

Dafür müssen viele umdenken, nicht schönreden und Versäumnisse verdrängen, alle mitarbeiten, dann schaffen wir das, eine lebenswerte Blei- Stadt in Mechernich und Kall!

Dr. Jörg Schriever
Kinder- und Jugendarzt

„DOKU BLEI aktuell“ weiterlesen

Biomonitoring Blei

Die BI fordert eine dauerhafte Prävention der gesundheitlichen Gefahren durch das natürliche Bleivorkommen im Raum Mechernich Kall. 
Dazu gehört mehr als Bodenbleibestimmungen und eine einmalige Blutentnahme bei wenigen Freiwilligen.  Es braucht aussagekräftige Untersuchungen und regelmäßige Kontrolluntersuchungen.

Dazu gehört eine wirksame Gefahrenaufklärung für Neubürger und Touristen, die Fortbildung für Ärzte zu diesem Thema, sowie eine regelmäßige Erfolgskontrolle über die Wirksamkeit der präventiven Maßnahmen um bei Änderungen ursächlich rasch handeln zu können. Dabei ist das kontinuierliche Sammeln von repräsentativen Bleiwerten, sowie die fachliche und epidemiologische Bewertung für die hiesige Bevölkerung und darüber hinaus besonders wichtig.

Wir sind weiterhin davon überzeugt, dass unser umfangreiches Konzept eine ideale Lösung für das kaum vergleichbare Mechernich-Kaller Bleigebiet ist. Allerdings sind wir auch offen für andere Lösungsansätze der Behörden. Deshalb bringen wir uns weiter konstruktiv ein, damit letztlich ein Konzept gefunden wird, mit dem die Gesundheitsgefährdung durch Blei transparent und belastbar nachvollzogen wird und wenn nötig sofortige präventive Maßnahmen ergriffen werden können.