Hinweis: Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Datums der Veröffentlichung.
28.12.2024 – Kommentar zur: „3. Auflage 11-24 – Handlungsleitfaden: Blei im Boden – Was nun?„
Die neuen Handlungsempfehlungen zur Blei-Prävention nehmen wir grundsätzlich sehr erfreut zur Kenntnis. Es sei vorweg erlaubt, nachfolgend einige weitere Wünsche zu äußern, aber auch kritische Punkte zu erwähnen.
Von der unteren Bodenschutzbehörde sind besonders die gestuften Empfehlungen in Abhängigkeit der Höhe der Blei-Belastung vorbildlich. Wünschen würden wir uns noch aktuelle Hinweise, evtl. auch Warnungen bei natürlichen Vorkommnissen wie nach Überschwemmungen oder nach z. B. größeren Baumaßnahmen oder land- und forstwirtschaftlichen Veränderungen. Ein Problem sind auch die Pilzsammlerkurse z. B. der VHS von außerhalb mit Beginn der Saison.
Die Ausführungen zur Tierhaltung der Veterinäre sind ebenfalls sehr hilfreich und lesenswert. Die Ergänzung der Frühsymptome und Warnzeichen einer Bleivergiftung bei den einzelnen Tierarten wäre wünschenswert. So konnte nach Füllung von Autoreifen zur Abdeckung von Tierfutter im Freien – z. B. Heu, Stroh, Rüben etc. – mit Sand aus Strempt die Bleivergiftung von Kühen nahe Zülpich, also außerhalb der Belastungszone, erst spät erkannt werden. Gleiches gilt für die Füllung von Kisten mit herrlich weißem Bleisand im eigenen Garten als Kinderspielplatz.
Die Aktion von „Plumbi“ in Kindergärten der Umweltstelle am Gesundheitsamt ist dagegen gar kein gutes Beispiel! Im Vorschulalter lässt sich entwicklungsgeschichtlich ein „vorausschauendes Gefahrenbewusstsein“ leider noch nicht dauerhaft erlernen, sondern das beginnt erst im Grundschulalter. Dies hat in praxi der fehlende Erfolg des Verkehrskaspers für die Verkehrssicherheit über Jahre leider bewiesen, ungeachtet des Spaßes seiner Fangemeinde live aktuell bei allen Kindern während seiner aufregenden Situationen auf der Bühne. Das haben auch meine Rückfragen bei leitenden Erzieherinnen bestätigt. Für jeden nachvollziehbar bei einem Blick auf den Kitaspielplatz z. B. an der Grundschule in Kommern, wo bei schönem Wetter gleichzeitig etwa 50 Kinder rumwuseln, viele ständig mit den Fingern im Matsch, trotz Plumbi-Verbot. Da ist man froh, wenn alle Kinder sich die Hände gewaschen haben, wenn sie reinkommen.
Die sinnvolle Aufgabe von Plumbi für sich und die Zahnfee gehört in die Schule. Dort sollten die geschulten Lehrer entsprechend dem ergänzten Lehrplan diese Aufgaben fortlaufend übernehmen. Die Personalkosten bei der Umweltstelle können dafür gespart und anderswo sinnvoller eingesetzt werden, so bei der epidemiologischen Ursachenforschung für die Bleiaufnahme im Kindesalter durch Milchzahnuntersuchungen und intensiver wissenschaftlich fundierter medizinischer Forschung für alle Altersstufen und Fachgebiete in unserem Kreisgebiet. Die gesundheitlichen Folgen der hiesigen geogenen Bleibelastung des Bodens für die Bevölkerung sind nach wie vor weitestgehend unbekannt. Ein pflichtiges „Blei-Biomonitoring“ wird schon seit Jahren gefordert. Es würde unserer Stadt als präventiv vorbildliche Stadt statt über Versäumnisse der Vergangenheit weiter zu lamentieren. Zusätzlich wird der Standort und Wert unserer akademischen Lehrkrankenhäuser durch aktive Forschung weiter stabilisiert, wie die derzeitige Diskussion um die Krankenhausreform gezeigt hat.
Laufende Informationen zur Bleiprävention gelten als wichtigste Maßnahme, um in der Bevölkerung ein entsprechendes vorbeugendes Bewusstsein und Verhalten zu verankern. So könnte „Plumbi“ zur Symbolfigur für alle Meldungen zu Gesundheitsschäden durch Blei und deren Prävention werden, denn Transparenz der Arbeitsergebnisse ist bei hiesigen Kreisbehörden momentan noch ein Fremdwort trotz Umwelt-Informationsgesetz. So fehlen die Ergebnisse über Lebensmittelprüfungen sowohl im landwirtschaftlichen Bereich als auch der Tierhaltung, Jagd und Fischerei, ebenso wie Belastungsdaten aus Arbeitsschutzuntersuchungen oder aus medizinischer Indikation.
Das muss sich ändern – alles zum Wohle aller Bürger, die in diesem schönen Teil der Eifel leben!
Dr. Jörg Schriever
24.04.2024 – Kommentar zur Studie: „ Die Hälfte der US-Bevölkerung in der frühen Kindheit ungünstigen Bleiwerten ausgesetzt“
Mit dieser Formulierung titelte „pnas.org“ einen Forschungsartikel, dass die Amerikaner durch das Einatmen von bleihaltigen Benzindämpfen nach einer großen US-Studie bis zu 7 IQ-Punkte verloren haben.
Was das für die betroffenen Personen gesundheitlich, aber auch für den sozialen Lebensweg bedeuten kann, ist beeindruckend und erschreckend zugleich. Es zeigt, dass wir unsere Einstellung und Durchführung zur lokalen Bleiprävention wesentlich verbessern müssen.
Der Grund: Blei ist ein höchst gefährliches Zellgift, welches allerdings nur in einem lebenden Organismus, also z. B. in Pflanzen, Tieren und Menschen wirksam werden kann und das über lange Zeit. Die Halbwertszeit im menschlichen Körper beträgt etwa 20 Jahre. In dieser Zeit wird nur die Hälfte im Körper abgebaut und ausgeschieden.
Link Original Beitrag in englisch | Half of US population exposed to adverse lead levels in early childhood
Link Deutsche Übersetzung
Zwar gibt es in Deutschland nur noch bleifreies Benzin, aber in unserem Mechernich-Kaller Belastungsgebiet ist der Boden bleihaltig, seit die Erde entstanden ist und wohl noch bis zu ihrem Untergang. Mit Beendigung des Bergbaus ist hier die Belastung über die Luft während der Verhüttung und Verwehung erheblich zurückgegangen, aber durch Verschmutzung mit bleihaltiger Erde und belasteten Nahrungsmitteln immer noch möglich. Somit ergibt sich die Frage: Sind auch die Mechernicher und Kaller Bürger durch Blei dümmer geworden? Antwort: Das ist möglich und anzunehmen.
Das Vorkommen erhöhter Bleibelastung im Blut bestätigen jedenfalls die bekannten Reihenuntersuchungen der Einwohner von 1982 und ab 2019. Leider waren die Studien nicht repräsentativ, sodass die Häufigkeit nur geschätzt werden kann und um 20% liegen dürfte. Dies bedeutet z. B., dass von etwa 5000 Kindern im Gebiet 1000 eine zusätzliche niedrige Bleibelastung haben.
Was kann man tun? Blei ist im Boden nicht wirksam und die Chance heißt: Lass Blei nicht in deinen Körper! Das Wissen, wo die Gefahr lauert und mit welchen vorbeugenden Maßnahmen sich die Aufnahme in den Körper vermeiden lässt, nennt man Prävention und ein Konzept mit langfristigen Beobachtungen der Hauptgefahrenpunkte und gezielten Gegenmaßnahmen nennt man „Human Bio Monitoring“.
Kommunen müssen ihre Bürger nach höchstrichterlichem Urteil vor Umweltschäden schützen und die Bürger sollten sich auf die Wirksamkeit verlassen können. Für Gesundheitsämter ist die Prävention von Gesundheitsschäden eine pflichtige Aufgabe.
Im Kreis wurden die Bodenschutzgesetze von 1999 erst in den letzten Jahren erfolgreich zunehmend umgesetzt, wie beispielsweise die Bleiwertbestimmungen der Böden oder der Bodenaustausch hoch belasteter Böden von Kinderspielplätzen. Seit dem letzten Jahr gibt es sogar eine sogenannte Umweltstelle am Gesundheitsamt mit dem organisatorischen Schwerpunkt der Bleiprävention einschließlich der Beratung in allen Umweltfragen. Daran war unsere Bürgerinitiative (BI) stets mit hinweisender Kritik, konstruktiven Beiträgen und Aktivitäten und einem Gesamtkonzept eines wirksamen Biomonitorings beteiligt.
Als eine der wirksamsten Stützen der Bleiprävention gilt die fortlaufende, transparente Information der Bürger über aktuelle Gefahrenpunkte, beispielsweise nach Überschwemmungen, sowie über den Erfolg oder Misserfolg von Präventionsmaßnahmen. Hierzu gehören die Ergebnisse von Arbeitschutzuntersuchungen, Kontrollen von Nahrungsmitteln und anonymisierte Daten aus dem Gesundheitswesen wie das Krebsregister sowie Erkenntnisse aus der Schwangerenvorsorge etc. Ebenso sind notwendige Daten für die Forschung von Bedeutung, wie es die Unfallprävention im Verkehrswesen erfolgreich vorgemacht hat. Dazu gehört auch ein positives Umdenken in der Bevölkerung, einschließlich der Politik. Statt der verbreiteten Ignoranz der Gefahren – „Die kennen wir schon ewig, ich bin doch nicht blöd, mir geht es gut und es tut mir nichts weh“ – war Blei früher unsere wirtschaftliche Chance, heute hingegen ist es ein negatives Image für Gesundheit, Tourismus, Grund und Boden, Immobilien, Nahrungsmittel etc. Besser ist es, Schlechtes durch Gutes zu ersetzen: Ein gelöstes Problem ist kein Problem mehr, Gefahr erkannt – Gefahr gebannt. Dies gilt auch für unser geogenes Blei im Boden.
Ziel unserer gemeinsamen Arbeit ist und muss es sein, der „bleifreie Bürger ohne Zusatzbelastung im Kreis Euskirchen“ zu sein. Die wichtigste Aufgabe für die hiesigen Politiker und Kommunen ist die Schaffung der Voraussetzungen für ein dauerhaftes und effektives „Biomonitoring Blei“ im Kreis. Dann sind wir schlauer geworden und können ein dauerhaft lebenswertes Dasein in Mechernich – Kall genießen!
Dr. Jörg Schriever
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