Leben in Mechernich heißt auch, sich mit Blei in Mechernich zu beschäftigen. Das Thema geht alle Bürger an, aber auch alle Touristen der Stadt.

DOKU BLEI aktuell

Hinweis: Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Datums der Veröffentlichung.

02.04.2024 – „Die Hälfte der US-Bevölkerung in der frühen Kindheit ungünstigen Bleiwerten ausgesetzt“

Mit dieser Formulierung titelte „pnas.org“ einen Forschungsartikel, dass die Amerikaner durch das Einatmen von bleihaltigen Benzindämpfen nach einer großen US-Studie bis zu 7 IQ-Punkte verloren haben. Der Grund: Blei ist ein höchst gefährliches Zellgift, welches allerdings nur in einem lebenden Organismus, also z. B. in Pflanzen, Tieren und Menschen wirksam werden kann und das über lange Zeit. Die Halbwertszeit im menschlichen Körper beträgt etwa 20 Jahre. In dieser Zeit wird nur die Hälfte im Körper abgebaut und ausgeschieden.

Link Original Beitrag | Half of US population exposed to adverse lead levels in early childhood | Link Deutsche Übersetzung

Zwar gibt es in Deutschland nur noch bleifreies Benzin, aber in unserem Mechernich-Kaller Belastungsgebiet ist der Boden bleihaltig, seit die Erde entstanden ist und wohl noch bis zu ihrem Untergang. Mit Beendigung des Bergbaus ist hier die Belastung über die Luft während der Verhüttung und Verwehung erheblich zurückgegangen, aber durch Verschmutzung mit bleihaltiger Erde und belasteten Nahrungsmitteln immer noch möglich. Somit ergibt sich die Frage: Sind auch die Mechernicher und Kaller Bürger durch Blei dümmer geworden? Antwort: Das ist möglich und anzunehmen. Das Vorkommen erhöhter Bleibelastung im Blut bestätigen jedenfalls die bekannten Reihenuntersuchungen der Einwohner von 1982 und ab 2019. Leider waren die Studien nicht repräsentativ, sodass die Häufigkeit nur geschätzt werden kann und um 20% liegen dürfte. Dies bedeutet z. B., dass von etwa 5000 Kindern im Gebiet 1000 eine zusätzliche niedrige Bleibelastung haben.

Was kann man tun? Blei ist im Boden nicht wirksam und die Chance heißt: Lass Blei nicht in deinen Körper! Das Wissen, wo die Gefahr lauert und mit welchen vorbeugenden Maßnahmen sich die Aufnahme in den Körper vermeiden lässt, nennt man Prävention und ein Konzept mit langfristigen Beobachtungen der Hauptgefahrenpunkte und gezielten Gegenmaßnahmen nennt man „Human Bio Monitoring“.

Kommunen müssen ihre Bürger nach höchstrichterlichem Urteil vor Umweltschäden schützen und die Bürger sollten sich auf die Wirksamkeit verlassen können. Für Gesundheitsämter ist die Prävention von Gesundheitsschäden eine pflichtige Aufgabe.

Im Kreis wurden die Bodenschutzgesetze von 1999 erst in den letzten Jahren erfolgreich zunehmend umgesetzt, wie beispielsweise die Bleiwertbestimmungen der Böden oder der Bodenaustausch hoch belasteter Böden von Kinderspielplätzen. Seit dem letzten Jahr gibt es sogar eine sogenannte Umweltstelle am Gesundheitsamt mit dem organisatorischen Schwerpunkt der Bleiprävention einschließlich der Beratung in allen Umweltfragen. Daran war unsere Bürgerinitiative (BI) stets mit hinweisender Kritik, konstruktiven Beiträgen und Aktivitäten und einem Gesamtkonzept eines wirksamen Biomonitorings beteiligt.

Als eine der wirksamsten Stützen der Bleiprävention gilt die fortlaufende, transparente Information der Bürger über aktuelle Gefahrenpunkte, beispielsweise nach Überschwemmungen, sowie über den Erfolg oder Misserfolg von Präventionsmaßnahmen. Hierzu gehören die Ergebnisse von Arbeitschutzuntersuchungen, Kontrollen von Nahrungsmitteln und anonymisierte Daten aus dem Gesundheitswesen wie das Krebsregister sowie Erkenntnisse aus der Schwangerenvorsorge etc. Ebenso sind notwendige Daten für die Forschung von Bedeutung, wie es die Unfallprävention im Verkehrswesen erfolgreich vorgemacht hat. Dazu gehört auch ein positives Umdenken in der Bevölkerung, einschließlich der Politik. Statt der verbreiteten Ignoranz der Gefahren – „Die kennen wir schon ewig, ich bin doch nicht blöd, mir geht es gut und es tut mir nichts weh“ – war Blei früher unsere wirtschaftliche Chance, heute hingegen ist es ein negatives Image für Gesundheit, Tourismus, Grund und Boden, Immobilien, Nahrungsmittel etc. Besser ist es, Schlechtes durch Gutes zu ersetzen: Ein gelöstes Problem ist kein Problem mehr, Gefahr erkannt – Gefahr gebannt. Dies gilt auch für unser geogenes Blei im Boden.

Ziel unserer gemeinsamen Arbeit ist und muss es sein, der „bleifreie Bürger ohne Zusatzbelastung im Kreis Euskirchen“ zu sein. Die wichtigste Aufgabe für die hiesigen Politiker und Kommunen ist die Schaffung der Voraussetzungen für ein dauerhaftes und effektives „Biomonitoring Blei“ im Kreis. Dann sind wir schlauer geworden und können ein dauerhaft lebenswertes Dasein in Mechernich – Kall genießen!

Dr. Jörg Schriever
Kinder- und Jugendarzt

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Toxikologie erklärt: Blei

Erklärt von Toxikologe Prof. Dr. Jan Hengstler Link in diesem Video.

(ab 00:00) Wo kommt Blei vor? 
Wie wirkt es auf den Körper von Mensch und Tier? 
Und wie äußert sich eine Bleivergiftung?

(ab 09:05Entwicklungsneurotoxizität bei Kindern
Umfassende Studien haben gezeigt, dass schon relativ geringe Bleiexpositionen zu einer Störung der Intelligenzentwicklung bei Kindern führen können.

(ab 15:41) Wie beurteilt man, ob zu viel Blei in den Böden von Wohngebieten vorkommt? Dieser Frage wird am Beispiel der Situation in Mechernich (Kreis Euskirchen in NRW) nachgegangen, wo aufgrund früheren Bergbaus heute noch sehr hohe Bleikonzentrationen in den Böden vorkommen.

KSTA | 14.09.2019
Link „Keine Panik, aber Vorsicht“: Professor Hengstler über Blei im Mechernicher Boden

Biomonitoring Blei

Die BI fordert eine dauerhafte Prävention der gesundheitlichen Gefahren durch das natürliche Bleivorkommen im Raum Mechernich Kall. 
Dazu gehört mehr als Bodenbleibestimmungen und eine einmalige Blutentnahme bei wenigen Freiwilligen.  Es braucht aussagekräftige Untersuchungen und regelmäßige Kontrolluntersuchungen.

Dazu gehört eine wirksame Gefahrenaufklärung für Neubürger und Touristen, die Fortbildung für Ärzte zu diesem Thema, sowie eine regelmäßige Erfolgskontrolle über die Wirksamkeit der präventiven Maßnahmen um bei Änderungen ursächlich rasch handeln zu können. Dabei ist das kontinuierliche Sammeln von repräsentativen Bleiwerten, sowie die fachliche und epidemiologische Bewertung für die hiesige Bevölkerung und darüber hinaus besonders wichtig.

Wir sind weiterhin davon überzeugt, dass unser umfangreiches Konzept eine ideale Lösung für das kaum vergleichbare Mechernich-Kaller Bleigebiet ist. Allerdings sind wir auch offen für andere Lösungsansätze der Behörden. Deshalb bringen wir uns weiter konstruktiv ein, damit letztlich ein Konzept gefunden wird, mit dem die Gesundheitsgefährdung durch Blei transparent und belastbar nachvollzogen wird und wenn nötig sofortige präventive Maßnahmen ergriffen werden können.